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Prof. Heribert Meffert

Interview mit einem Betroffenen

Sie sind emeritierter Professor für Marketing und haben in Ihrem beruflichen Leben viele interessante Aufgaben bewältigt und mehrere Initiativen gegründet. Vor zehn Jahren das AMD-Netz. Sie sind immer sehr offen mit der Tatsache umgegangen, dass Sie an einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) erkrankt sind und Ihre eigenen Erfahrungen Motivation für die Gründung des AMD-Netz war. Wie geht es Ihnen heute mit der Erkrankung?

Meffert: Es geht mir den Umständen entsprechend gut, vor allem vor dem Hintergrund, dass meine Sehbehinderung zwar fortgeschritten ist, ich aber mit Hilfe meiner Familie, insbesondere von meiner Frau, und mit einer Fülle von Geräten meine wissenschaftlichen Forschungsarbeiten weiterführen kann. Ich habe gelernt, dass ich mein Leben umstellen muss und viele Dinge nicht mehr wie zuvor machen kann. Man muss die Seheinschränkung offen kommunizieren, seinen Alltag anpassen, also z.B. Vorlesegeräte nutzen, damit man sich selber helfen kann und selbstbestimmt bleibt. So kennzeichne ich mich mit einer Plakette, denn nicht jeder nimmt die Sehbehinderung direkt wahr.

Was hat Sie bewogen, das AMD-Netz zu initiieren?

Meffert: Ich war bei der Bertelsmann Stiftung tätig, als ich mit meiner stärker werdenden Sehbehinderung meine selbst verfassten Texte nicht mehr lesen und vortragen konnte. Eine niedergelassene Augenärztin bescheinigte mir die ersten Anzeichen einer trockenen AMD. Seinerzeit wusste ich nicht, was eine Makuladegeneration ist und war stark beunruhigt. Ich habe dann Augenkliniken in Essen, Köln und auch in Wuppertal konsultiert. Überall sagte man mir, „seien Sie geduldig, Sie werden nicht blind.“ Gleichzeitig teilt man mir mit, dass es für die trockenen AMD bislang keine zugelassene, wirksame Therapie gibt. Das hat mich natürlich schockiert. Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen der Schlaganfallhilfe-Stiftung wusste ich, dass Stiftungen Betroffenen helfen können. Und dann hatte ich das Glück und den Zufall, dass ich in der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung im Kuratorium tätig war. Herr Jackstädt war durch eine AMD stark sehbehindert und hat seine Stiftung für Augenpatienten eingesetzt. Und das hat mich motiviert ein Netzwerk gründen, das auch anderen helfen kann.

Sie haben das AMD-Netz mitgegründet, geleitet und in den ersten Jahren entscheidend geprägt- Ihr Ziel war es, Lücken im Versorgungsprozess von AMD-Patienten zu identifizieren und zu schließen. Worauf sind Sie stolz? Was ist Ihnen gelungen?

Meffert: Wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückblicke bin ich durchaus stolz auf das, was aus dem Netzwerk geworden ist. Unsere ursprünglichen Ziele, Betroffene und Angehörige mit Informationen zu versorgen, Hilfestellungen im Alltag zu geben und insbesondere die medizinisch-soziale Schnittstelle, also die Gemeinsamkeit von Ärzten, Versorgern, Selbsthilfegruppen und den Betroffenen unter einem Dach zu optimieren, sind letztendlich der richtige Weg zur Hilfe.

Als Betroffener sollte man die eigenen persönlichen Erfahrungen nicht verallgemeinern. Das hat mich als Wissenschaftler und als Marketing-Professor dazu bewogen, die Bedürfnisse der Erkrankten erst einmal zu analysieren. Daraufhin sind zwei Doktorarbeiten entstanden: eine empirische Doktorarbeit über die Lebensqualität sehbehinderter Menschen in unserem Land und eine Doktorarbeit über die Gestaltung eines medizinisch-sozialen Netzwerks. Beide Doktorarbeiten sind eine hervorragende Basis für die ersten Schritte bei der Umsetzung des AMD-Netz gewesen.

Sie haben schon vor der Gründung Experten in Workshops zusammengebracht, um wichtige Fragen zu diskutieren und diese Tradition setzt sich heute in den Foren fort. Was war das Besondere an diesen Veranstaltungen?

Meffert: Entscheidend war im Grunde, dass die AMD eine große Herausforderung aus der medizinischen Perspektive darstellte, da der Anspruch der Medizin, bei der Behandlung Fortschritte zu erzielen, natürlich nicht ohne weiteres absehbar ist. Die Aussage, dass man als AMD-Betroffener nicht blind wird, aber die Erkrankung auch mit Medikamenten nicht geheilt oder verhindert werden kann, war die eigentliche Herausforderung. Deshalb waren die langfristig angelegte Forschung und die Zusammenarbeit mit Medizinern auch damals schon sehr wichtig – dies wurde auch in den Workshops deutlich.

Das Besondere war und ist, dass die Workshops interdisziplinär angelegt waren. Auf der einen Seite bringen die Ärzte ihre Fachkompetenz in Bezug auf medizinische Versorgung, Diagnose und entsprechende Therapie ein und auf der anderen Seite sind die Experten für die soziale Dimension der Unterstützung Hilfsbedürftiger, d. h. derjenigen, die in ihrem Alltagsleben nicht so gut zurechtkommen, vertreten. Sie alle haben ihre Erfahrungen aktiv in das Netzwerk eingebracht.

Viele Menschen hat fasziniert, wie Sie es geschafft haben, so unterschiedliche Kapazitäten zu diesem Thema zusammenzubringen.

Meffert: Das war mein Bonus als Betroffener. Alle wussten, ich kämpfe in diesem Fall nicht für mich alleine, sondern spreche ein grundsätzliches Problem der Menschen an, für das die Augenärzte keine Patentlösungen im Sinne der medizinischen Heilung hatten, und welches umfassend und interdisziplinär angegangen werden muss.

Was kennzeichnet aus Ihrer Sicht das AMD-Netz und seine Arbeit?

Meffert: Die Interdisziplinarität, das heißt diese funktionsübergreifende Zusammenarbeit zwischen medizinischer Erkenntnis auf der einen Seite und auf der anderen Seite Institutionen, die sich mit sozialen, aber auch mit psychologischen und anderen Herausforderungen der Betroffenen beschäftigen.

Dies gebündelt in einem Netzwerk, das hat mich im Grunde auch besonders motiviert. Die Fragestellung ist bereits von meinem Mitarbeiter, Herrn Wistuba, in seiner Doktorarbeit zu sozial-medizinischen Netzwerken im Vorfeld diskutiert worden. Er zeigte, dass diese im Gesundheitsbereich nicht in der Augenheilkunde eine Rolle spielen, sondern auch und insbesondere bei anderen Erkrankungen und dass das Modell des AMD-Netz, das wir entwickelt hatten, eigentlich mustergültig, ja vorbildlich sein konnte für die Handhabung anderer Erkrankungen, zum Beispiel dem Schlaganfall.

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